Brief zu Ostern 2017 von Diakon G. Jonissek

Liebe österliche Gemeinde.

Ich brauche Ostern!

Mein Ostererlebnis in diesem Jahr fing schon in der Fastenzeit an. Mein „Aha Erlebnis“ hatte ich, als ich mit einer Gruppe evangelischer Konfirmanden die Kreuzwegstationen in unserer Kirche gegangen bin. Erst einmal habe ich mich darüber gefreut, dass auch sie ein richtiges Interesse an dem Geschehen hatten, was Jesus auf seinem Weg von der Verurteilung bis hin zu seiner Grablegung begegnet ist. Ich habe gespürt, dass sie sich mit diesem Thema schon beschäftigt hatten. Warum auch nicht? Katholische und evangelische Christen haben ja die gleiche Bibel und das Geschehen am Osterfest ist uns ja auch gleich. Über die Menschen, die sich Jesus liebevoll in den Weg gestellt haben, haben wir gesprochen. Über Maria seine Mutter, die ihn ohne Worte verstand; über Simon von Cyrene, der gezwungenermaßen half und dann, viele Tage später für sich bemerkt, wem er da geholfen hat; über Veronica haben wir gesprochen, die ganz selbstverständlich ihr Taschentuch hingehalten hat, weil Schweiß und Blut ja in den Augen brennen. Über dreimal Fallen haben wir gesprochen, und wie schwer es alten und kranken Menschen manchmal fällt, am Morgen eines neuen Tages alle Kräfte zusammen zu nehmen und wieder aufzustehen. Auch dann aufzustehen, wenn man manchmal lieber aufgeben und einfach liegenbleiben möchte.

Und dann kamen wir an der 14. Station an. Jesus wird ins Grab gelegt. Plötzlich sagte ein Mädchen aus der Gruppe: „Der Jesus wird ja in Leinentücher eingewickelt, und jetzt sieht er aus wie eine Raupe, die sich verpuppen möchte und einen Cocon um sich herum gesponnen hat.“

„Das stimmt“, musste ich, der ich dachte den Kreuzweg in- und auswendig zu kennen, bestätigen. „Und was kommt dann aus dem Cocon heraus?“, wollte ich wissen „Ein wunderschöner Schmetterling.“ „Oder ein lebendiger Jesus, ein Jesus, der nach drei Tagen wieder auferstanden ist!“, meinte ein anderes Mädchen.

Ja, das war für mich Ostern und ich denke nun immer an den Cocon, wenn ich in der Nähe dieses Bildes in unserer Kirche sitze. Manchmal begegne ich diesem Mädchen und wir grüßen uns, so von Konfession zu Konfession, und wir wissen, dass es einen Jesus – unseren Jesus – gibt, der für uns gelitten hat und auferstanden ist.

Normalerweise gehe ich in der Fastenzeit dann mit den Jugendlichen in eine Kirchenbank, singe ein Lied, bete mit ihnen das Vaterunser und entlasse sie, vielleicht mit ein paar guten Gedanken, in ihren Alltag. Diesmal, und mit diesen guten Einsichten, konnte ich nicht an unserer 15ten Kreuzwegstation vorbeigehen. Ja, ER lebt. Ja, ER hat den Tod besiegt und Gott hat seinen Sohn nicht im Tod gelassen. ER ist der König der Welt, der Retter und Heiland. ER, und nicht der, der in der ersten Station auf dem Thron sitzt und diesen Jesus mit spitzen Finger anklagt und verurteilt. Es war schön, als diese Jugendlichen ihre Hände nach oben streckten. So, wie Jesus es tut. Erhobene Arme, wie wenn 96 ein Tor schießt, wie wenn der Jubel kein Ende finden will, wie wenn man Gott im nie endenden Jubel loben und preisen will. „Aber“, wollten die Jugendlichen wissen, „aber wer sind die drei Menschen, die auf so vielen Bildern immer wieder erscheinen?“ „Das bist du, und das bin ich, und das sind wir. Du und ich, die wir Jesus auf seinem Leidensweg und bei seiner Auferstehung begleiten, wenn wir Karfreitag und Ostern feiern. Das sind du und ich, wenn wir glauben und wenn wir zweifeln. Das sind wir, die wir hoffen, dass unsere Verstorbenen so auferstehen, wie Jesus auferstanden ist. Das bist du und das bin ich, wenn ich leiden muss, und wenn ich nach diesem Leben einmal bei Gott sein darf.

Ich brauche Ostern! Ich brauche Ostern jedes Jahr aufs Neue. Denn dieses Fest gibt mir Hoffnung in meine Zweifel, die auch ich manchmal habe, hinein. Hoffnung, die manchmal andere ganz zufällig schenken. Ja, „der Glaube ist eine Flamme, die immer lebendiger wird, je mehr man sie mit anderen teilt und sie weitergibt“, sagt und lebt Papst Franziskus.

Geben wir unseren Osterglauben, unsere Osterfreude weiter an alle Menschen, denen wir auf unserem Lebensweg begegnen.

Ich wünsche Ihnen allen, den Großen und Kleinen, den Alten und Jungen und besonders den Kranken und Traurigen ein gesegnetes Osterfest.

Gerhard Jonissek, Diakon